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Als „Die Frau des Marschbauern" verschwand
Sabine Nielsen las im Gulfhof Ihnen in Engerhafe aus ihrem zweiten Roman - „Otto Groote Ensemble" spielte Auswandererlieder kab Engerhafe. Es beginnt mit einer Kirschtorte. Zwischen Mürbeteigboden und dicker Baiserhaube quillt eine tiefrote Schicht Kirschkompott hervor. Um die Torte herum haben sich einige ältere Damen und ihre etwas jüngere Nichte versammelt, während der alte Kater sich auf dem Sofa putzt. Vor den Fenstern steigt Nebel von der See auf und hüllt die Insel Föhr ein. In dieser Atmosphäre von Gemütlichkeit werden Geschichten erzählt, und so kommt das Gespräch auch auf eine mysteriöse Begebenheit, die schon lange zurückliegt: Als sie über den Hof ging, um die Hühner zu füttern, verschwand die Frau des Marschbauern von der Bildfläche und wurde nie wieder gesehen. „Die Frau des Marschbauern" ist auch der Titel des Romans, den die (Nord-) Deutsch-Australierin Sabine Nielsen am Sonnabendabend im Rahmen einer Lesung im Gulfhof Ihnen in Engerhafe vorstellte. Der Roman ist der zweite Band einer inzwischen vierbändigen Familiensaga über die beiden reifen Schwestern Ruth und Willa, die manchmal aus ihrem beschaulichen Leben ausbrechen, um mit ihren vier Nichten lang gehütete Geheimnisse zu lüften und manches Rätsel aus der Familiengeschichte zu lösen. Er ist im Schardt-Verlag, Oldenburg, erschienen und beginnt auf der Insel Föhr, führt die rüstigen Detektivinnen aber auch bald nach Australien. Sabine Nielsen kann dabei aus dem Vollen schöpfen. Ihre ersten 20 Lebensjahre verbrachte sie selbst auf Föhr, wanderte dann nach Melbourne aus. Entsprechend anschaulich und dicht beschreibt sie die Orte der Handlung, die Landschaft, die Menschen, das Drumherum. Ihre Romanheldinnen werden zu Wanderinnen zwischen zwei Welten, in jedem der vier Romane sind die Erzählfäden über beide Inseln verwoben, denn Kerri, eine der vier Nichten ist wie Nielsen nach Melbourne ausgewandert. Ihre Emigrationserfahrungen sind eng an das Leben der Verfasserin angelehnt. Und immer geht es um ein lange zurückliegendes Rätsel, das auf seine Lösung wartet. In Australien spreche man von „cold cases", sagte die Autorin, von kalten Fällen aus der Vergangenheit. So sind ihre lebendigen Erzählungen eine Mischung aus Heimat- und Auswanderer-, aus Detektiv- und Familiengeschichte. Sabine Nielsen macht keinen Hehl daraus, dass ihre eigene Auswanderung komplizierter verlief als am Anfang geglaubt. Die Liebe führte sie nach Australien - und hielt sie dort. Seit 40 Jahren ist sie in Melbourne zu Hause, gründete eine Familie, studierte und arbeitete als Lehrerin - ihre Heimat, das blieb jedoch Föhr. „Es ist nicht der gleiche Himmel dort unten, der norddeutsche Himmel ist viel blauer, und es sind auch nicht die gleichen Sterne in der südlichen Hemisphäre. Man fährt an den Pazifischen Ozean, „aber so sehr ich auch draufstarre, es ist einfach nicht die Nordsee", klagte sie. „Integration ist schwierig, auch nach 40 Jahren eckt man immer noch hier und da an." Das Schreiben habe ihr geholfen, die Sehnsucht nach Hause zu stillen und wenigstens in Gedanken zurückzukehren in die kleine, freundliche Welt der Föhrer Inseldörfer, ihrem Sehnsuchtsort. Die Familiensaga ist bislang nur auf Deutsch erschienen, Fans hat Nielsen in Deutschland und auch in der großen Gemeinde deutscher Auswanderer in Melbourne. Und erstaunlich: Wenn sie liest und erzählt, hört man nach all den Auslandsjahren nicht den Hauch eines Akzents, der sich sonst so rasch aus dem Englischen ins Deutsche schleicht. Einen perfekten Partner habe sie in Otto Groote gefunden, berichtete Nielsen. Mit seinen beiden Kollegen Matthias Malcher an der Gitarre und Ralf Strotmann am Bass spielte Groote alte und neue Lieder über die norddeutsche Landschaft, den Himmel, die Schiffe, aber auch über die Sehnsucht nach der Ferne. Wie es der Zufall will, hat er mit seinem Ensemble gerade eine CD mit Liedern zu einem Auswanderertheaterstück gemacht, deren Erscheinen jedoch verschoben werden musste. Genauso wie Nielsen fand Groote sofort einen Draht zum Publikum, erzählte von seinen Liedern, sang spontan Stücke an, die ihm in den Sinn kamen. Wie in einer großen Familie am warmen
Ofen. Die ruhigen, oft melancholischen Texte, die weichen Stimmen der drei Musiker und die Atmosphäre in der alten Scheune im Kerzenlicht, sie versetzen die knapp 40 Zuhörer in eine Welt der Sehnsucht und der Suche - nach früher, der alten Liebe, der Heimat und sich selbst. Bildunterschriften: Die Präsentation der neuen CD musste zwar verschoben werden, aber das „Otto Groote Ensemble" (von links: Ralf Strotmann, Otto Groote, Matthias Malcher) stellte einige der neuen Lieder über Fernweh und Auswandern vor. In der Pause signierte Sabine Nielsen ihre Bücher. In der intimen Atmosphäre des Gulfhofes kam sie schnell mit den Zuhörern ins Gespräch und erzählte davon, dass Auswandern Abenteuer, aber auch jahrelanges Heimweh bedeutet. Fotos: Baumann
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